In einer von EU-Geldern mitfinanzierten Studie des National Sports Government Observer wurden Sportverbände unter die Lupe genommen. Es ging schwerpunktmäßig um die die Verbandsführung, wobei unter “good governance” ein “gutes Steuerungs- und Regelungssystem einer politisch-gesellschaftlichen Einheit wie etwa eines Staates oder einer Gemeinde. Es beinhaltet gutes Regierungs- und auch Verwaltungshandeln einschließlich einer guten Haushalts- bzw. Budget-Mittel-Bewirtschaftung.” (Quelle Wikipedia)
Die Seite “deutschlandfunk.de” (Autorin Marina Schweizer) berichtet, dass Deutschland in der Studie im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich schlecht abschneidet. “Von den neun untersuchten deutschen Sportorganisationen schneiden der Deutsche Olympische Sportbund und der deutsche Turnerbund am besten ab, gefolgt vom DFB. Am unteren Ende stehen der Deutsche Volleyball- und der Schwimmverband. Fast durchgehend schlecht bewertet werden demokratische Prozesse innerhalb von Verbänden, etwa, was die Zusammensetzung des Vorstands angeht. Ebenso wird deutlich: Soziale Verantwortung, wie Anti-Diskriminierungsrichtlinien oder die Etablierung von Athletenrechten stehen bisher nicht so weit oben auf der Prioritätenliste.”
Kriterien, die von den Forschern angelegt wurden, waren unter anderem, die demokratische Prozesse in Verbände, wie z.B. Wahlen ablaufen und welche Verantwortlichkeiten und Rechenschaftspflichten es gibt es und wie sozial verantwortlich die Organisationen handeln.
Studienleiter Arnour Geeraert und sein Team waren insgesamt verblüfft über die Ergebnisse aus Deutschland, Geeraert fragte seine Forscher vor Ort nach dem Erhalt der Ergebnisse für Deutschland, ob sie sich wirklich sicher seien. Einer der Forscher in Deutschland war Sportwissenschaftler Jürgen Mittag von der Deutschen Sporthochschule in Köln. Er meint: “Nehmen wir das Beispiel der Steuererklärung. In Skandinavien ist es selbstverständlich, dass man seine Steuererklärung offen legt. Kein Bundesbürger würde das tun und ähnliches gilt auch für die Sportorganisationen. Und da muss man sich eben erst einmal reinbewegen und auch den größeren Rahmen, des politischen Systems, der politischen Kultur, des Umfeldes berücksichtigen, um die Ergebnisse hier in einem europäischen Rahmen einordnen zu können.“
Da Umdenken vom Ehrenamt in Richtung professionelle Organisationen mit hauptamtlichen Beschäftigten, halten die Forscher für einen wichtigen Schritt, denn “dann ist der Weg zu Good Governance nicht mehr so weit. Wenn man aber eine stark auf Ehrenamtlichkeit setzende Organisation hat, dann ist der Weg durchaus noch eine ganze Ecke entfernt von diesen Strukturen. Und das haben wir auch gemerkt.“ Ebenfalls ein Thema sind die Athletenrechte: “Bei der Frage der Athletenrechte sind wir ja gerade mittendrin in einer ganz intensiven Debatte. Hier muss man grundsätzlich sagen, da ist Deutschland ein Nachzügler, da sind uns andere europäische Staaten weit voraus.“
Die Forscher betonen, dass es ihnen nicht darum gegangen sei, zu tadeln, sondern Änderungsprozesse anzustoßen. Viele Verbände waren auskunftsfreudig und offen.„Auf der anderen Seite würden wir den deutschen Schwimmverband ansprechen. Da hatten wir Schwierigkeiten, Kontakte und Informationen zu sammeln. Das heißt: Das weniger gute Ergebnis des Schwimmverbandes lässt sich vielleicht auch auf die und nicht zur Verfügung stehenden Informationen zurückführen. Das ist die andere Seite der Medaille.“
Auf der internationalen Ebene haben der Weltschwimmverband FINA, ebenso wie der Tennisverband ITF — keine Auskünfte an das Forscherteam geliefert. Bei den fünf internationalen Sportverbänden war noch Luft nah oben bei den Good-Governance-Kriterien.
Stuiendleiter Geeraert erklärte dazu: „Verbände führen insbesondere dann gute Strukturen ein, wenn es von außen besonders viel Druck und Skepsis gibt. Sie wissen ja, der Welt-Leichtathletikverband mit seiner Korruptionsaffäre 2015/2016 und jeder kennt den FIFA-Korruptionsskandal. Der Druck war dort groß. Die sind dabei, bedeutsame Reformen einzuführen. Verbände, die nicht auf diese Art und Weise Druck verspüren, führen zwar einige Elemente von guter Verbandsführung ein, aber wenn man da genauer hinschaut, dann merkt man: Sie schaffen es oft nicht, robuste Veränderungen einzuführen.“
Die Forscher möchten die aufgezeigten Defizite als Anstoss für Veränderungen verstanden wissen und hoffen auf eine breite Diskussion, denn: “Es ist wichtig, dass man die Gründe dafür findet und dass man eine Debatte darüber anstößt. Es ist wichtig, dass man diese Probleme jetzt angeht. Weil eines ist sicher: Das Level der Verbandsführung in Deutschland muss wirklich besser werden.“
(Hier ist der Originalartikel zu finden und hier ist die Studie zu finden, kostenloser Download ist möglich)