Der Olympiasieger 2020 über die 200 m Lagen, Wang Chun, nutzte am Freitag im Aquatic Center in Tokio die Möglichkeit, László Cseh seine Anerkennung zu bekunden: Auf dem Weg zur Mixed Zone gab er dem Ungarn nicht nur die Hand, sondern verneigte sich vor dem Ungarn und seinen sportlichen Leistungen. Eine Geste, die der sechsmalige Medaillengewinner bei Olympischen Spielen mehr als verdient hat. Der 35-Jährige hatte schon vor diesem Finalrennen bekanntgegeben, dass er nach den Olympischen Spielen die Badehose an den berühmten Nagel hängen würde. Er wolle erst einmal ohne den Schwimmsport auskommen, aber man wisse ja nie, was die Zukunft noch so bringen würde.
Seit 2004 in Athen kämpfte László Cseh mit dem erfolgreichsten Olympioniken aller Zeiten, Michael Phelps, in dessen Spezialdisziplinen um die Podiumsplätze über 100 m und 200 m Schmetterling und 200 m und 400 m Lagen. Dritter im Bunde war Ryan Lochte, der zweite US amerikanische Spitzenschwimmer auf den Lagenstrecken. Erstmals gab es 2004 für den sympathischen Ungarn Edelmetall: Über 400 m Lagen hinter Michael Phelps und Eric Vendt (beide USA). Über 200 m Lagen wurde er Vierter, Gold und Silber gingen an Phelps und Lochte. 2008 schnappte sich Cseh drei Silbermedaillen, über 200 m und 400 m Lagen sowie über 200 m Schmetterling, Gold ging jeweils an Michael Phelps. Über 200 m Lagen lag Cseh 0,01 Sekunden vor Ryan Lochte. Auch 2012 in London hieß der Sieger wieder Michael Phelps über 200 m Lagen vor Lochte vor Cseh.
Im legendären olympischen 100 m Schmetterlingfinale 2016 in Rio stand Cseh zusammen mit Phelps und Chad Le Clos auf dem Podium, die Silbermedaille wurde dreimal vergeben. Es siegte Joseph Schooling. Zwar gelang László Cseh nicht der Gewinn der Goldmedaille am 12.08.2016, aber zum ersten Mal stand er mit Phelps auf Augenhöhe auf dem Podium. Der Schwimmgott hatte an diesem Tag ein Einsehen und fand einen Weg, Laszlos Cseh und Chad Le Clos zu einem wichtigen Teil der Schwimmgeschichte und der Karriere des Michael Phelps zu machen, einen Weg, bei dem es keine Verlierer gab. Nur drei Gewinner.
Cseh hat 12mal Edelmetall bei Weltmeisterschaften geholt, 2005 wurde er Weltmeister über 400 m Lagen, 2015 über 200 m Schmetterling. Markenzeichen des 35-Jährigen war seine Glatze bei Wettkämpfen, er schwamm nie mit Schwimmkappe, dazu sagte Cseh einmal: “Wenn meine Haare geschoren sind, dann wird es ernst.” Und manchmal fragte er sich selber, warum er immer wieder, auch mit über 30, noch über 400 m Lagen starten würde.
Seine erste internationale Medaille holte László Cseh 2003 bei der WM in Barcelona über 400 m Lagen. Cseh ist vielfacher Europameister. Von 2004 bis 2012 holte er fünfmal hintereinander den Titel über 400 m Lagen, von 2006 bis 2014 fünfmal Gold über 200 m Lagen. Neben Medaillen über seine anderen Paradestrecken 100 m und 200 m Schmetterling holte er sich auch Medaillen über 100 m und 200 m Rücken. Cseh ist der aktuelle Europarekordhalter über 200 m ( 50 m Bahn 1:55,18) und 400 m Lagen (50 m Bahn 4:06,16) auf der 50 und 25 m Bahn. Jeder Schwimmer kann sicher ermessen, wie anstrengend das von Cseh fast immer bei internationalen Topwettkämpfen geschwommmene Programm 200 und 400 Lagen, 100 und 200 Schmetterling, dazu mit Vorlauf, Halbfinale, Finale ist (400 m Lagen: nur Vorlauf und Finale, immer am ersten Tag der Olympischen Schwimmwettbewerbe).
Für die auf 2021 verschobenen Olympischen Spiele in Tokio war Laszlo Cseh sicher über die 200 m Lagen nominiert, dafür wurde seine Zeit von 1:57,79 von den Weltmeisterschaften 2019 angerechnet. Cseh hat seinen Platz zwischen den ungarischen Schwimmlegenden wie Kristina Egerszegi, Tamas Darnyi und Katinka Hosszu längst gefunden.
Gebenüber dem Ungarischen Schwimmverband sagte Cseh über sein letztes Rennen über die 200 m Lagen: “Als ich am Morgen aufwachte, war ich etwas nachdenklich, weil dies heute mein letztes Rennen werden würde. Aber ich fühlte mich trotzdem gut und ließ mich von den Gedanken nicht negativ beeinflussen, ich war voll und ganz auf das Finale vorbereitet. Der Anfang war eigentlich okay, das Brustschwimmen leider nicht, so habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt, jetzt habe ich versucht, es ein bisschen anders zu machen, weil es sich so angefühlt hat, als ob es gestern im Halbfinale nicht funktioniert hat – na ja, ich bin damit auch nicht viel weiter gekommen.” Nach 100 m lag Cseh nur 0,07 Sekunden hinter Wang Shun, aber wie er selber feststellte, war die Bruststrecke nicht gut.
Im Rückblick auf seine Karriere sagte Cseh: “Ich musste hierher nach Tokio kommen, weil es das richtige Ende meiner Karriere war. Wenn ich hier nicht geschwommen wäre, säße ich jetzt zu Hause vor dem Fernseher, und es wäre vielleicht für lange Zeit oder vielleicht für den Rest meines Lebens deprimierend gewesen. So habe ich mir meinen Seelenfrieden geschaffen, ich kann es ruhig und mit einem Lächeln sagen: das war’s, danke. Danke an alle, meine Familie, meine Frau, meine Trainer, meine Vereinskameraden und meine Nationalmannschaftskollegen. Natürlich werde ich euch vermissen, aber ich denke, ich werde mich jetzt für eine Weile aus dem Sport zurückziehen und dann werden wir sehen, was die Zukunft bringt. ”
YouTube, Eurosport, 2020 Olympics, final 200 IM
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2016 Olympics, final 100 fly
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